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Die Corona-Krise wirkt wie ein Brandbeschleuniger – für Marken und deren Stories

“We don’t sell sneakers – we sell stories!“ Mit diesem starken Statement saß Oliver Baumgart, Geschäftsführer und Mitgründer des Sneakers-Onlineshop 43einhalb, auf der Bühne der Plot19 – und hielt als Entrepreneur ein Plädoyer für gute Geschichten. Heute, in mitten der Corona Krise, wollen wir von ihm wissen, wie die Geschäfte so laufen, online, aber auch in seinen Stores in Frankfurt und Fulda und ob er immer noch zu seinem Credo von vor einem Jahr steht. Willkommen zum Plot-Interview: Oliver Baumgart.

Interview von Petra Sammer

Plot: Hallo Oli, wir haben uns lange nicht gesehen seit du on stage bei Plot19 warst. Wie geht’s?

Oli: Soweit alles gut. Natürlich haben auch wir mit Corona eine weitere Herausforderung, jedoch konnten wir die Schließung der Stores in Fulda und Frankfurt sehr gut mit unseren Onlineshops kompensieren und die Stores laufen auch wieder an. Wir sind auf jeden Fall sehr dankbar und froh darüber, dass es uns nicht so hart getroffen hat und dass uns unsere Kunden nach wie vor so treu sind. 

Das klingt ja super locker. War der Lockdown denn so easy?

Ganz und gar nicht. Aber wenn es eine Sache gibt, die unser Team ausmacht, dann ist es die Fähigkeit, Gas zu geben, wenn es drauf ankommt. Wir sind sehr früh mit dem größten Teil des Teams ins HomeOffice gewechselt und ich persönlich hätte trotz unserer digitalen Kompetenz nicht damit gerechnet, dass alles so gut läuft. Kräftezehrend ist natürlich die anhaltende Situation und das wöchentliche Agieren und Reagieren auf sich ändernde Rahmenbedingungen. Wir ändern regelmäßig unseren „Pandemieplan“ und haben mittlerweile drei unterschiedliche Personal-, Schicht- und Isolations-Szenarien. Gleichzeitig haben wir uns damit aber auch eine Reaktionsgeschwindigkeit erarbeitet, die uns sehr flexibel macht. Bis dato hat noch kein Paket länger als einen Arbeitstag benötigt, um die Reise zu unseren Kunden anzutreten. Das macht uns schon ein klein bisschen stolz in der aktuellen Situation 🙂

Obwohl Storytelling zu eurer DNA gehört, war in der Krise also erst einmal Schluss mit Geschichten erzählen, oder?

Natürlich war erst einmal Information wichtiger als emotionales Storytelling. Zwei Prinzipien waren für uns am Anfang der Corona-Krise entscheidend. Zum einen „Überkommunikation“, also so viel Information wie möglich, denn die wichtigsten Fragen kann man gar nicht oft genug ansprechen und beantworten. Und zweitens: „Transparenz“. Wir wollten so offen und ehrlich wie es nur geht informieren. Und unseren Stil behalten. Das heißt, dass unsere Statements nicht plötzlich trocken und nüchtern waren – auch wenn die Situation sehr ernst ist – sondern dass unsere Texte authentisch und emotional bleiben, so wie unsere Fans das von uns gewohnt sind. Wie das aussieht, kann man auf unserem Blog im „Corona Update“ nachlesen. Diese Serviceinfo kam super an und die Reaktionen unserer Fans auf Instagram waren durchweg positiv. 

Doch trotz der ganzen Information … der Lockdown und auch die Situation jetzt mit den Lockerungen, all das ist eine „erlebnisarme“ Zeit. Gastro, Kino, Theater, Musik, all die Erlebnisangebote sind noch lange nicht auf altem Niveau. Und genau deshalb ist der Hunger nach guten Stories so groß. Storytelling und gute Geschichten sind heute wichtiger denn je.

Aber wenn man – als Marke und Unternehmen – so limitiert ist, welche Geschichten kann man denn dann überhaupt erzählen?

Eine Geschichte ist da, was passiert, wenn etwas dazwischenkommt. COVID-19 gehört definitiv zu den größeren Dingen, die uns in diesem Jahrhundert dazwischengekommen ist und wir werden unseren Kindern und Enkeln davon erzählen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass die meisten großen Werbegeschichten jetzt kaum Relevanz haben. Relevant sind ehrliche, authentische Geschichten, die zeigen, wie sich ein Unternehmen oder ein Team in einer Krisenzeit verhält und positioniert. In der aktuellen Zeit geht’s um’s „Hose runterlassen“ und „Gesicht zeigen“ – und die immense mediale Breite von Faktenüberschuss bis hin zu Verschwörungstheorien hat die Leute sehr sensibel für Bullshit gemacht.

Statt Profit geht es jetzt darum, mit begrenzten Ressourcen das Beste draus zu machen. Zum Beispiel konnten wir durch unsere Zusammenarbeit mit Fynn Kliemann sehr früh Mundbedeckungen auftreiben. Anstatt unserer Sticker und Magic Gum legen wir seit Ende März kostenlose Mundschutz-Masken zu unseren Bestellungen hinzu. Wir supporten damit Fynn und seine Produzenten, geben unsere Kunden ein nützliches Goodie mit und haben eine kleine, ehrliche Story. 

Schöne Aktion, mit Zusatznutzen. Was, würdest du sagen, muss man bei solchen Stories beachten?

Wie bei allen guten Brand-Stories gilt: mach dich nicht selbst zum Helden. In diesen Zeiten sind Solidaritäts-Aktionen sehr wichtig und werden wohlwollend von den Kunden aufgenommen, aber man sollte sich nicht zum Pseudo-Wohltäter aufspielen. Entscheidend ist, dass du weiterhin dein Ding machst und authentisch bleibst. Es gibt jetzt zwar Freiraum, neue, kreative Geschichten zu spinnen, aber sie sollten trotzdem nah an deinem Markenkern, deiner Positionierung und deiner Persönlichkeit bleiben. 

Ich geb mal ein Beispiel: Mit 43einhalb zählen wir zwar zu den größten Sneaker-Onlineshops in Europa, dennoch sind wir sehr in unserer Region, in Fulda, verwurzelt. Das ist unsere Heimat und daher ist uns auch wichtig, dass wir jetzt auch hier supporten – auch da mit kleinen Dingen. Zum Beispiel halfen wir lokalen Shops, schnell und unkompliziert einen Onlineshop einzurichten und von unserer Erfahrung zu profitieren. Unser Lieblings-Gastronom bei dem wir vor fast zehn Jahren unsere Eröffnungs-Party feierten hat jetzt dadurch einen eigenen Spirituosen-Shop auf meinejungs.com.

Ihr habt euch damit lokal super vernetzt. Das bringt euch langfristig vor Ort sicher Pluspunkte. Aber wie schaut es denn mit der eigentlichen Zielgruppe aus? Beim Storytelling für Marken und Unternehmen geht es doch eher um die Kunden, oder? 

Man sollte die Wirkung dieser kleinen Stories vor Ort auch auf Kunden nicht unterschätzen. Einerseits spricht sich das wortwörtlich rum, und zwar nicht nur bei unseren Partnern, sondern auch bei unseren Kunden online. Meist sogar ohne unser Zutun. 

Gleichzeitig haben wir die aktuelle Situation dafür genutzt, kleine Geschichten mit Relevanz zu erzählen, die unsere Kunden unterhalten und von den permanenten Bad News ablenken. Wir motivieren uns innerhalb des Teams mit solchen Geschichten, warum also nicht auch unsere Kunden.

Einen regelrechten Corona-Schub hat unser „43einhalb Minuten Podcast“ bekommen. Mit schwerem Herzen hatten wir uns letztes Jahr dafür entschieden, aus Gründen der Nachhaltigkeit unser Print-Magazin einzustampfen. Unser Podcast sollte es ersetzen und mittlerweile lieben wir das Format, weil es unfassbar nahe und ehrliche Geschichten erlaubt. In einem Gespräch, das aufgezeichnet wird, ist eben nicht viel Platz für Fake und Inszenierung.

Ein weiteres Beispiel ist die „MEINE JUNGS Bierbundesliga“. Bei meinejungs.com haben wir klar eine männliche Zielgruppe und eines der brennendsten Themen während des Lockdowns war der komplette Stillstand der Fußball-Bundesliga. Das heißt also endlose Wochenenden ohne Spiele, kein Talk und Taktieren rund um Spielzüge, Tabellenplätze und Meisterschaften. Komplette Stille zu diesem Thema. Um ein klein wenig Ablenkung und Ausgleich zu schaffen, kreierten wir daher eine ganz besondere Tippkickgemeinschaft rund um die „Bierbundesliga“. Statt 16 Clubs traten jetzt eben 16 Biersorten gegeneinander an. 

Wo kommen denn da die Produkte ins Spiel? 

Gar nicht. Gutes Storytelling lädt den Kunden ein, Teil einer Story zu sein, eröffnet Erzählräume und macht dem Kunden Angebote, mitzumachen und mitzuerzählen. Genau das macht so eine Aktion wie die „Bierbundesliga“. Produktlaunches ankündigen, Kollektionen ausloben und Features erklären, das findet an ganz anderen Stellen statt, das übernimmt unsere Online-Plattform direkt. Dort ist der richtige Ort, um einen Sneaker in all seinen Details zu erklären und zu präsentieren. Doch vor dem Kauf, während der Kaufentscheidung und auch danach sollte man dem Kunden immer wieder gute Geschichten liefern, um Neugierig zu machen, Interesse zu wecken und zu halten und hinterher auch den Kauf zu bestätigen, also ein gutes Gefühl zu geben, dass Marke und Produkt genau die richtige Wahl waren. Dann wird der Kunde hoffentlich zum Fan, wird Teil unserer Community und kommt wieder.

Es geht also nie um Preise und echte Verkaufe?

Natürlich gibt es – gerade im Onlinebereich – in so einer Situation auch Gelegenheiten, um Sonderaktionen zu fahren. Unser „Home Couture Sale“ ist so ein Beispiel. Statt „Haute Couture“ eben „Home Couture“, um den Ernst der Lage etwas aufzulockern und auch um finanziell mit einem Aktionsrabatt zu locken. Von permanenten Aktionen halten wir uns jedoch generell fern, um nicht über den Preis definiert zu werden. Viel wichtiger ist uns unsere Community und die Verbundenheit mit unseren Kunden. Daher auch die Storytelling-Aktion #Home Alone Stories, denn jeder hat jetzt was zu erzählen und dafür wollten wir unseren Kunden, unserer Community, eine Plattform und Bühne geben. Klar, das ist ein simples Prinzip: User Generated Content, aber im Mix mit interaktivem Storytelling (das klingt jetzt schlau, sind Umfragen und Abstimmungen etc.) und einer Gamifizierung (klingt auch toll, das sind dann eben Quizes und Rankings etc.) macht das Ganze ziemlich viel Spaß. 

Ihr wart ganz schön fleißig in diesen Wochen. Wenn du jetzt zurückblickst, gibt es Learnings aus der Zeit des Lockdowns oder Dinge, von denen du hoffst, dass sie vielleicht sogar bleiben?

Ich glaube, dass dieser ganze Corona-Lockdown und die Pandemie wie ein „Brand-Beschleuniger“ gewirkt hat. Und das meine ich tatsächlich doppeldeutig. Als „Brandbeschleuniger“ und als „Marken-Beschleuniger“. Viele Marken, aber auch kleine Unternehmen, Stores und Läden mussten sich komplett neu orientieren und haben entdeckt, dass „digital“ doch nicht so böse ist. Viele haben erstmals selbst einen Online-Shop eröffnet. Umgekehrt haben wir aber auch alle erlebt, wie öde Straßen und Stadtviertel sind, wenn es den Einzelhandel gar nicht mehr gibt und wie wichtig kleine, unabhängige Läden für die Lebensqualität sind. Wenn wir gut sind, haben jetzt ein Gefühl dafür, wie das richtige Mittelmaß aussehen kann.

Außerdem wird mit der Corona-Krise klar, wie schnell sich Themen drehen. Für Markenmacher und Storyteller ist das Fluch und Segen zugleich. Wenn man schnell und kreativ ist, kann man sehr relevante Themen aufgreifen und damit nah an Fans und Kunden rankommen. Gleichzeit war und ist auch zu sehen, wie schnell Themen und Stories irrelevant, banal und gar obsolet werden können.

Und noch was: Soziale Verantwortung bekommt ein ganz neues Gesicht. Wir haben so viele Beispiele gesehen, wo Nachbarn geholfen haben, wildfremde Menschen zu Helfern wurden und sich spontan neue Organisationen gegründet haben, um kleinen Unternehmen und Communities zu helfen. Ich hoffe, dass von diesem Spirit etwas bleibt. Erstmals haben wir doch – im großen Stil – gesehen, dass jeder kleine Beitrag etwas bewirken kann. Ich hoffe, dass sich das auch auf andere Krisen wie den Klimawandel anwenden lässt.

Konsum hat sich langfristig verändert. COVID-19 hat sehr vielen Menschen gezeigt, worauf es wirklich ankommt. Insbesondere diese Veränderung des Wertesystems ist den meisten Marken noch nicht bewusst und gleichzeitig einer der größten Einflussfaktoren der Krise auf sehr viele Branchen. Insbesondere echte, authentische Stories haben in diesem Wertesystem einen noch größeren Platz bekommen. In Erinnerung bleiben vor allem die Stories, die ehrlichen Geschichten, die die Persönlichkeit von Menschen zeigen, die auf Augenhöhe hinter die Fassade blicken. Ich hoffe, dass alle, die bisher immer noch ausschließlich auf rationale Produktkommunikation und Werbung setzen, gesehen haben, wie viel mehr an Aufmerksamkeit, Interesse und Solidarität man als Marke und Unternehmen bekommt, wenn man seinen Kunden gute Storytelling-Angebote bietet – auch und besonders in so einer schwierigen Zeit. 

Somit ist jetzt schon einiges geblieben, was wir aus den vergangenen Wochen für die Zukunft mitnehmen konnten. Vor allem haben wir gelernt, dass es wie bei allen guten Geschichten um Menschen geht. Für uns ist das unser Team, dass die aktuelle Situation trotz der vielen Steine im Weg unfassbar gut meistert. Liebe 43einhalber, ihr seid die echten Helden! Vielen Dank! 

Oli, auch wir sagen Dankeschön für dieses Interview. Ach ja und übrigens unter dem Motto #HomeAloneStories kuratierte das Team von 43einhalb auch eine Liste an Movies und Serien, die man sich ansehen sollte „43einhalb presents your Latest Motion Picture Update (LMPU) – Wir sind aktuell total im Filme- und Serien-Fieber! Vor allem während unseres kleinen »Hausarrests« ist es Gold wert eine Liste mit genug Input für die nächsten 20 Jahre zu besitzen – Here We Go!

Noch ein paar abschließende Worte: Vor fast zehn Jahren machten die Sneaker Influencer Oliver Baumgart und Mischa Krewer ihre Leidenschaft zum Business. Die beiden Turnschuh-Fanatiker betreiben heute einen der größten Sneaker-Onlineshops Europas (www.43einhalb.com) und sind mit zwei Shops auch in Fulda und Frankfurt erfolgreich. Und da Jungs nicht nur unten herum Bedürfnisse haben, gibt es jetzt mit www.meinejungs.com noch einen weiteren Onlineshop, der geilen, unkomplizierten „Scheiß“ anbietet – von Hoody bis Thermoskannen. Alles, wann Männer halt so brauchen. Jetzt seid ihr angefixt und wollt noch mehr? Here are some related articles:

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