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Storytelling – Fluch und Segen für die Markenkommunikation

Marketer Raphael Mikl ist überzeugter Storyteller und leitet gemeinsam mit Filmemacherin Monika Jungwirth die österreichische Agentur Karma + Pitch. Seit 2019 schmieden wir gemeinsam Pläne für PlotxVienna – denn Raphael will Plot nach Wien bringen. Corona hat uns allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht – aber wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. 

Wir treffen Raphael per Skype zum Plot-Interview, um über Storytelling in der Markenkommunikation zu sprechen, denn für den Werber ist die Kommunikationstechnik Fluch und Segen zugleich. Ganz besonders im digitalen Umfeld und ganz besonders in Corona-Zeiten.

Plot: Servus nach Wien, Raphael. Wie geht’s?

Raphael Mikl: Es geht bergauf – um das aktuelle Kampagnenmotto von Tirol Werbung zu zitieren. Das trifft die Situation jetzt ganz gut. Wir sind aus der Schockstarre erwacht und erobern Stück für Stück diese „neue Normalität“, von der alle sprechen. 

Raphael, du bist mit deiner Agentur auf digitale Markenkommunikation spezialisiert. Ihr versteht euch als „Storyteller im Netz“. Welchen Rat kannst du Markenunternehmen geben, die Geschichten erzählen wollen – gerade jetzt?

Der Begriff Storytelling hat sich zu einem Modewort entwickelt, der sich irgendwie gut anhört und immer dann aufpoppt, wenn es emotional werden soll. Aber nicht überall, wo Story draufsteht ist auch eine Story drin. Wer Storytelling in der Markenkommunikation anwenden will, muss sich an Strukturen und Regeln halten. Ansonsten ist es einfach nur hübsch gemachte Produktwerbung. 

Was sind das für Regeln?

Das Wichtigste ist – und dies ist Kunden oft schwer vermittelbar – das Produkt ist nicht der Hero der Story. Ich verstehe, dass es für ein Marketingteam nicht leicht ist, das zu akzeptieren, schließlich will man ja eine Marke bewerben. Aber das Schöne an digitaler Kommunikation ist, dass man alles messen kann und daher wissen wir, dass platte Markenwerbung, die nur das Produkt abfeiert, viel weniger Interaktion bekommt als gute Stories. 

Was genau sind gute Stories?

Das hängt natürlich von Marke und Produkt ab. Aber eines ist entscheidend: Die Marke muss sich auch als Geschichtenerzähler verstehen. Es ist nicht damit getan, einfach bei einer Agentur anzurufen, eine Story zu bestellen und diese dann ins Netz zu stellen. Storytelling ist ein Prozess und funktioniert nur im Austausch zwischen Kunde und Agentur. Die Marke muss bereit sein, die Geschichte weiterzuerzählen. Nur das ist authentisches und erfolgreiches Storytelling. Versteht mich nicht falsch, natürlich kann man uns als Agentur buchen, damit wir uns um Content und Community kümmern. Idealerweise entwickeln wir aber ein Story-Konzept, das dann gemeinsam befüllt und mit Leben erfüllt wird. Denn nichts ist schlimmer, wenn wir einfach nur „G´schichtln drucken“, also am Markenkern vorbei irgendetwas erzählen.   

Ist das auch der Grund, warum du Storytelling als Fluch und Segen siehst?

Genau. Wir reden so viel über diese Technik, die auch dank Social Media super wichtig ist. Aber wir laufen Gefahr, dass wir den Begriff für alles Mögliche verwenden, aushöhlen und verwässern. Wenn wir so weiter machen, wird das ein echter Imageschaden für die Technik „Storytelling“. Und es will bald keiner mehr haben. Dabei stecken in Storytelling so viele Chancen – gerade jetzt.

Wieso gerade jetzt? Dank Corona sind doch Sachinformationen und Faktenwissen viel wichtiger geworden.

Stimmt, aber zwei Aspekte sprechen eindeutig für die Kraft von Storytelling: Zum einen lassen sich Fakten mit Hilfe von Stories emotional aufladen und so aufmerksamkeitsstark verpacken und merkfähig machen. Und zweitens haben Geschichten mehr Viralität als pure Sachinformationen. Stories werden geteilt – Daten meist nicht. 

Sind das nicht auch zwei Gründe, warum Verschwörungsmythen so super funktionieren?

Leider ja. Diese irren Fantasien, die jetzt gerade durchs Netz geistern, sind emotional aufbereitetes Falsch- oder Halbwissen. Und manche Theorien sind so wahnsinnig, dass sie wegen ihres Unterhaltungswertes weitergereicht werden. Wenn in der Corona-Krise irgendeine Chance steckt, dann die, dass gute und wahrhaftige Stories jetzt ein Gegengewicht zu Fake News entwickeln müssen. Das ist eine große Chance für Markenunternehmen. 

Wie meinst du das?

Geschichten vermitteln Sicherheit und geben Orientierung. Gute Brand-Stories können genau das leisten. Sie schaffen Identität, Zusammenhalt und Optimismus. Ein super Beispiel ist da die aktuelle Kampagne von Tirol Werbung. Mit den Nachrichten rund um Ischgl und den ganzen Après-Ski-Tourismus hatte es dieses (österreichische) Bundesland nicht leicht. Auch der Lockdown und die Schließung der Grenzen machten Tourismus ja komplett unmöglich. Wie in so einer Situation kommunizieren? Zunächst hat der Tourismusverband sich komplett zurückgenommen, die Winterkampagne gestoppt und auf pure Information für die eigenen Mitglieder umgestellt. Dann hat man sich auf die Markenstärken besonnen und kleine emotionale Highlights unter dem Hashtag #mitAbstandnah gepostet. Facebook-Postings, die Tirol als Sehnsuchtsort zeigen und Solidarität und Dankbarkeit ausdrücken. Und jetzt startete die Kampagne „Es geht bergauf“, die Hoffnung verbreitet und positiven Ausblick gibt. Diese drei Phasen kennzeichnen gute Markenkommunikation in Krisenzeiten: In Phase eins überwiegt die solide Sachinformation. Die Marke nimmt sich zurück, erklärt vor allem Partnern, Kunden und Fans die Situation. In Phase zwei ist bereits etwas mehr Emotionalität erlaubt, denn die Zielgruppe ist zum Teil auch übersättigt an zu viel Information und sehnt sich nach etwas Ablenkung und Unterhaltung. Grundsätzlich sind Kunden aber noch vorsichtig und angespannt. Phase drei läutet dann die „neue Normalität“ ein. Österreich und auch Deutschland gehen jetzt in diese Phase. Markenkommunikation setzt hier auf Stories, die eine positive Grundstimmung stärken, die anknüpfen an das „Vorher“ und klar machen, dass man gemeinsam in eine neue Zukunft geht. 

Wie lange dauert es, bis jede Marke diese drei Phasen durchläuft?

Früher hätte man so ein Phasenmodell in ein Marken-Lifecycle-Modell gepackt und nach jeder Phase, die nächste geplant. Das hat sich komplett geändert. Heute müssen wir ständig mit jeder dieser drei Phasen rechnen. Auch wenn die erste Welle der Corona-Krise überstanden scheint, so kann doch jederzeit eine zweite Welle kommen oder ein Markenunternehmen rutscht in wirtschaftliche Schieflage. Dann beginnt sofort wieder Phase eins. Die deutsche Lufthansa ist da jetzt. Die wollten schon emotionaler werden, sind aber wieder zurück auf Phase eins und informieren sachlich zur Finanzsituation. Wir müssen also ständig für alles bereit sein und anpassen. Das heißt auch, dass unsere Geschichten extrem flexibel einsetzbar sein müssen. Es gibt keine pauschalen Pläne mehr. 

Das klingt wild. Wie kann das funktionieren, ohne im Chaos zu enden?

Echtzeitkommunikation braucht einen stabilen Markenkern. Jetzt zeigt sich, wer seine Marke auf ein solides Markenfundament aufgebaut hat, auf Werte, die einer Krise standhalten. Jede Story, die wir heute im Netz präsentieren, muss dann immer und immer wieder auf diesen Markenkern einzahlen und jede Geschichte muss sich daran messen lassen, ob sie den Markenkern stützt – nur so zahlt Storytelling auf Reputation, Image und langfristig auch auf Abverkauf ein. Das gilt auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Zum Beispiel Magu-CBD, die Hanfprodukte vertreiben. Das Unternehmen ist auch in der Krise seinen Markenwerten Nachhaltigkeit, Menschlichkeit und Transparenz treu geblieben und richtete sein Storytelling daran aus. Aus dem Lockdown wurden Live-Stories erzählt, wie man die Produktion am Laufen hält, unter dem Hashtag #beibdaheim wurde ein Lieferservice fürs Wohlbefinden eingerichtet und solidarisch wurden CBD-HeldInnen unterstützt. 

Informieren – Emotionalisieren – Erzählen: diese drei Phasen wären auch für die nächste Plot-Konferenz ein schönes Modell. Wie sieht es denn aus mit den Plänen zu PlotxVienna?

Das Interesse am Thema Storytelling für Marketing und Bewegtbild am österreichischen Markt ist riesig. Wir haben hier einige großartige Marken, die das schon sehr gut umsetzen. Viele stehen in den Startlöchern, trauen sich aber noch nicht so richtig und sind daher, denke ich, sehr an Inspiration, Beispielen, Tipps und Tricks interessiert. Und natürlich auch an guten Kontakten und Erfahrungsberichten. Daher wäre Plot in Wien richtig spannend. Aber aufgrund der Ansteckungsgefahr müssen wir auf große Veranstaltungen derzeit noch verzichten. Schön wäre es, wenn wir eine Plot-Session, also eine Abendveranstaltung, noch im Dezember 2020 hinbekommen. Da strecken wir gerade unsere Fühler aus. 

Genau, wer Interesse an PlotxVienna hat, bitte melden. Wir freuen uns auf Euch und Euer Feedback.

Wer sich schon im Sommer auf den nächsten Tirol-Urlaub freut, der sollte sich unbedingt die 100 Dinge der Vorfreude durchlesen. Auch eine der wunderbaren Stories, die während der Corona-Krise entstanden. Und ihr könnt euch einstimmen mit dem Song von Manu Stix „I möchte mi nur bedanken“. Eine Million Menschen klickten sich in das Video rein, das Tirol Werbung gemeinsam mit 18 Tiroler KünstlerInnen produzierte. 

Der musikalische Mutmacher fand Nachahmer, denn zwei Wochen nach den Tirolern brachten auch die Niederösterreicher ihren eigenen Corona-Song heraus: Die NÖ ALLSTARS singen „Zammhoidn“.

Auch wir sagen „Danke“ an Raphael Mikl für das Interview, „hoidn zam“ und drücken die Daumen, dass wir uns im Dezember in Wien wiedersehen.

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