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Im Interview: Moritz Meyer

Moritz Meyer, lebt und arbeitet als freier Journalist und Videoredakteur in Köln. Er berichtet am liebsten über alles, was mit dem Digitalen Wandel zu tun hat. Als Burgenblogger lernte er 2016 den Mittelrhein kennen und lieben. Aktuell verfilmt er auf Youtube saarländisches Handwerk. Guckt viel zu viele Serien auf diversen Plattformen und muss deshalb regelmäßig ab aufs Wasser und sein Kajak schwimmen lassen.

Bei Plot18 sprach er über Storytelling aus der Sicht des Journalisten.

Interview von Petra Sammer

Moritz, als Journalist bist du im Nachrichtengeschäft tätig. Warum sprechen aber mehr und mehr Journalisten heute von Storytelling anstatt von Berichterstattung?

Moritz Meyer: „Wenn Journalisten über ein Thema berichten, heißt es oft “Das ist eine Geschichte.” Im Volontariat hieß es dann von älteren Kollegen manchmal streng: “Wir schreiben keine Geschichten. Wir berichten über Fakten.

Als Erinnerung daran, dass wir Journalisten keine Märchenerzähler oder Poeten sein sollen, sondern eine Verantwortung haben, Menschen zu informieren. Jetzt kommt das aber: Auch Informationen vermittelt man eben doch am besten mit den klassischen Elementen einer Geschichte: Es gibt einen Protagonisten oder eine Protagonistin, einen Konflikt, der Spannung erzeugt und am Ende eine Auflösung des Ganzen. Das jetzt neudeutsch immer öfter vom Storytelling gesprochen wird, ist ein bisschen Buzzwordbingo. Am Ende beschreibt es nur das, was Journalisten schon immer getan haben: Gute Geschichten erzählen. Und damit informieren.“

Wo immer man hinschaut, Bewegtbild scheint Text zu übertrumpfen. Anscheinend guckt man lieber als zu lesen. Wissenschaftler nennen das den „Visual Turn“. Als Videoredakteur freut dich das sicher. Aber hat dies nicht auch großen Einfluss auf die Geschichten, die erzählt werden. Bekommen nur noch Stories Aufmerksamkeit und Beachtung, die tolle Bilder liefern?

„Das Visuelle ist natürlich nicht mehr wegzudenken. Eine tolle Geschichte beinhaltet im Idealfall immer gute Bilder. Manchmal sind die Bilder selbst Geschichte genug. Aber die Kraft von Text sollte man nicht unterschätzen. Nie wurde so viel geschrieben wie heute. In Blogs, in Magazinen, in Foren, in Sozialen Netzwerken und übrigens oft in Kombination mit Bildern. Insbesondere die neuen Story-Formate auf Instagram oder Snapchat, Gifs oder Memes entfalten ihre Wirkung erst in der Kombination von Bild und Text. Das eine kommt nicht ohne das andere aus.“

YouTube wird zu einer immer wichtigeren Informationsplattform. Auch viele deiner Arbeiten sind dort zu sehen und doch siehst du YouTube kritisch. Auf dem Barcamp der Süddeutschen Zeitung hast du sogar von der „Apokalypse YouTube“ gesprochen. Warum dieser Pessimismus?

„Ich bin nicht pessimistisch, was Youtube angeht. Ich würde sogar sagen, es gab nie so viel tollen, informativen und sehenswerten Content auf Youtube wie heute. Dem gegenüber steht aber eine gigantische Masse an Trash-Inhalten. Der Algorithmus von Youtube belohnt vor allem, wenn sehr schnell sehr viele Zuschauer ein Video sehr lange angucken. Und das funktioniert natürlich mit billig und schnell produziertem Schrott-Content, der mit Clickbaiting-Methoden sehr junge Zuschauer zum Anschauen verleitet. Das ist manchmal nur zum Fremdschämen peinlich, wenn sich Akteure in Fastfood wälzen oder mit Schleim übergießen.

Und es wird gefährlich, wenn auf Youtube unwidersprochen Verschwörungstheorien und Hass-Inhalte verbreitet werden, einfach nur weil sie gut geklickt werden. Zum Glück hat Youtube begonnen, erste Maßnahmen dagegen einzuleiten.“

Zum Schluss, dein Tipp: Wo findest du die besten Stoffe?

„Im Moment beschäftige ich mich sehr viel damit, wie Unternehmen und Start-Ups digitale Produkte wie zum Beispiel Apps entwickeln. Interessanterweise ist da auch oft die Rede von User Stories. Nur verstehen Produktentwickler darunter etwas völlig anderes als wir Medienmacher.

Wir wollen eine gute Geschichte erzählen. Und oft sind wir frustriert, wenn die Nutzer oder Leser unsere tolle, berührende Geschichte, an der wir wochenlang recherchiert haben, kaum beachten. Entwickler gehen ganz anders an ihr Produkt ran. Sie fragen nicht, wie gut ist die Geschichte, sondern: Welches Problem lösen wir eigentlich? Diesen Ansatz finde ich sehr spannend. Ich glaube, es würde Medienschaffenden sehr helfen, wenn sie mehr die Perspektive ihrer Leser und Nutzer einnehmen und sich fragen, wie sie diesen mit ihren Geschichten helfen können, ihren Alltag zu bewältigen.“