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"Die Digitalisierung der Filmbranche gibt uns neue, kreative Tools an die Hand"

Plot Interview mit Christina Kahlert / DPRG

Christina Kahlert leitet ein Traditionsunternehmen, das aktueller ist den je. Sie ist Geschäftsführerin der INDOC-Film GmbH, ein Unternehmen, das seine Wurzeln im klassischen Filmbusiness der Bavaria hat, denn der Journalist und Filmproduzent Volkmar R. Kahlert erkannte schon früh die Möglichkeiten des Mediums Film und bot seine Filmideen Unternehmen und Marken an. INDOC-Film bezeichnet sich als „Visuellen Storyteller seit 1962“ und niemand anderes verkörpert dies besser als Christina Kahlert, denn sie ist ein Filmkind durch und durch. Als junges Mädchen war sie oft am Filmset ihres Vaters und wurde dort vom Filmfieber infiziert.

Interview geführt von Petra Sammer

Und Kahlert gibt diese Filmbegeisterung weiter – besonders an diejenigen, die sich eigentlich im Metier „Text“ wesentlich wohler fühlen. Seit über zwanzig Jahren ist Christina Kahlert Vorstand der DPRG (Deutschen Public Relations Gesellschaft e.V.) in Bayern und damit das Gesicht einer Branche, das traditionell dem „Wort“ anhängt. Früh schon gründete sie den Arbeitskreis „Bewegtbild / AV-Kommunikation“ und sensibilisiert die PR-Branche lange vor YouTube, Insta-Stories und Tic Toc für die Macht der bewegten Bilder in der Kommunikationsarbeit.

Kahlert ist international vernetzt und rund um den Globus tätig. Daher freuen wir uns dass sie zwischen Drehs in Shanghai und Bejing Zeit für ein Plot-Interview fand, um die Bedeutung von Film genauer unter die Lupe zu nehmen, die Professionalität des Unternehmensfilms zu hinterfragen und erörtern, was PR-Verantwortliche von Filmemachern erwarten können.

Frau Kahlert, alle reden heute über Bewegtbild. Doch der Industriefilm ist ja nicht neu. Ihr Unternehmen produziert seit über 50 Jahren Filme für internationale Firmen und Marken. Was ist heute anders als früher? Oder ist der Hype nur alter Wein in neuen Schläuchen? 

Selbstverständlich freut mich über das große Interesse am Medium Film. Viele Jahre, ja jahrzehnte lang, war es extrem schwierig, Kommunikationsverantwortliche von Filmproduktionen zu überzeugen. Unzählige Pitches scheiterten am Budget – noch vor wenigen Jahren war Filmproduktion in der Tat eine sehr aufwändige Sache. Die die meisten Filmideen scheiterten an der Unkenntnis auf Seiten der Unternehmen. Es mangelte an fachlicher Kompetenz – auch auf Seiten der beratenden PR-Agenturen.

Da stehen wir heute an einem ganz anderen Punkt. Das Interesse am Medium Film ist groß, aber auch die Professionalität in der Branche ist extrem gestiegen. Und sie ist auch notwendig, denn die Möglichkeiten, die wir heute mit Film haben, sind ja fast explodiert. Früher waren die Einsatzmöglichkeiten für Film sehr beschränkt. In der Regel auf Event und Fernsehen. Heute stehen Unternehmen so viele Einsatzvarianten und Ausspielkanäle zur Verfügung. Gar nicht so einfach, da den Überblick zu behalten und auch die technischen Erfordernisse für das Bildmaterial im Blick zu behalten.

Und wir sind noch lange nicht am Ende unserer Möglichkeiten: Die Digitalisierung der Filmbranche gibt uns ständig weitere, neue und kreative Tools an die Hand.  Neue Hard- und Software wie VR, AR und AI erweitern ständig unsere Möglichkeiten. Bewegtbild ist heute kein „Hype“ oder „Trend“. Besser sollten wir in der Kommunikation von einer Ära des „Visuellen Storytellings“ sprechen.

Sie sprechen das Thema „Professionalität“ an. Also konkret, wie souverän sind PRler heute im Umgang mit dem Medium Film?

Ich würde sagen, wir sind auf einem guten Weg. Die PR-Branche ist sich der Bedeutung von Bewegtbild heute sehr bewusst und der Umbau, in dem die Branche derzeit steckt, ist auch eine Chance, die Kompetenzen in diesem Bereich deutlich zu stärken. Jedes Unternehmen und auch Agenturen gehen dabei ganz unterschiedlich Wege, aber aus meiner Sicht kann man die PR-Branche in drei Teile unterteilen, wenn man Umgang mit Film kategorisieren möchte:

Da ist zum einen die Gruppe an Kommunikationsverantwortlichen, die alles unter Kontrolle haben wollen. Und das heißt für das Medium Film, dass jedes Bild, jede Kameraeinstellung, jeder Schnitt, jede Requisite, jeder Satz voll gesteuert wird. Sie können sich vorstellen, dass diese Art zu arbeiten sehr aufwändig ist. Machbar, aber sehr anstrengend. Und ob am Ende tatsächlich der beste Content rauskommt, wage ich zu bezweifeln.

Dann ist da die zweite Gruppe, die vor allem die Zielgruppe im Blick hat, für die das Bildmaterial produziert wird. Ansonsten vertrauen diese PRler den Profis auf Seiten der Filmproduktion und konzentrieren sich darauf, ein Briefing abzugeben, das den Rahmen für den bestmöglichen Content schafft. Die Ausgestaltung im Detail überlassen sie den Filmemachern – Hauptsache, das Ziel wird erreicht.

Und dann ist da noch die dritte Gruppe – und die ist in Deutschland gar nicht so selten vertreten – die machen gar nix. Die fühlen sich nicht kompetent genug oder trauen sich einfach nicht ran an das Medium Film. Vor allem glauben sie, dass sie keine Geschichten haben, die es wert sind, im Film festgehalten zu werden – ein großer Irrtum.

Mit dem Skandal um Claas Relotius Ende letzten Jahres geriet der Journalismus, vor allem der „narrative Journalismus“, der auf die Technik des Storytellings setzt, in Kritik und auch Dokumentarfilmer müssen sich mehr und mehr hinterfragen lassen, ob das, was sie zeigen tatsächlich der Wahrheit entspricht. Für die PR ist diese Ethik-Diskussion nicht neu, denn gerade in der Unternehmenskommunikation muss man immer wieder darüber reflektieren, was man im Bild zeigt und was nicht. Wie sehen Sie diese Verantwortung im Umgang mit der Wahrheit, gerade wenn es um PR mit Bewegtbild geht?

Wenn wir über die Verantwortung der PR sprechen, dann möchte ich an das Wort „Relations“ in „Public Relations“ erinnern. „Relations“ meint „Beziehung“. Die Aufgabe von PRlern ist es, Beziehungen aufzubauen. Zwischen einem Unternehmen und seinen Stakeholdern. Zwischen einer Marke und seinen Kunden. Und zu Meinungsbildern wie Journalisten.

PR ist Beziehungsmanagement. Und jede gute Beziehung baut vor allem auf einem auf: auf Vertrauen. Und genau hier steckt die Verantwortung des Kommunikationsmanagers: der Content den er oder sie produziert, dient dazu, Vertrauen aufzubauen. Die heißt in erster Linie, dem Rezipienten verantwortungsvoll zu begegnen. Für die Pressearbeit bedeutet dies zum Beispiel, die Arbeitsweise von Journalisten gut zu kennen und ihnen demensprechendes Material – Text, Foto, Infographik und vor allem Filmmaterial – zu liefern. Material, das Journalist und Journalistin in ihren Arbeitsprozess einbauen und nutzen kann.

Die Ethik der PR bezieht sich sowohl auf Inhalte als auch auf Machart und Distribution des Content, den wir zur Verfügung stellen. Was uns wieder zurück zum Thema Professionalität führt. Wir müssen uns kontinuierlich austauschen über die inhaltlichen Interpretationsmöglichkeiten, die uns als Visuelle Storyteller zur Verfügung stehen, sowie über die sich ständig verändernden Distributionswege und Rezeptionsmöglichkeiten der vielen Zielgruppen, die wir – im Auftrag von Unternehmen und ihrer Marken – bedienen. Und genau das erwarte ich von Plot19: den Austausch mit Kollegen und Kolleginnen, Kreativen und Filmschaffenden, deren Blick weit über die übliche PR-Brille hinausgeht – als Inspiration für meine eigene Arbeit und auch Reflexionsmöglichkeit für unsere Branche. Ich freue mich, dass wir auch in diesem Jahr wieder dabei sind. 

Von der Plot-Idee, Kommunikationsprofis aus Unternehmen und Agenturen mit Filmschaffenden und Kreativen aus dem Filmbusiness zusammenzubringen, war Christina Kahlert von Anfang an begeistert. Die DPRG ist einer der Förderer von Plot – und unterstütze die Storytelling-Konferenz von Anfang an. Auch dieses Jahr freuen wir uns für Plot19 auf die Zusammenarbeit und heißen alle Mitglieder der DPRG am 6. September in der HFF bei Plot19 herzlich willkommen.