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Marketing braucht mehr Emotion

von Petra Sammer

Das Fazit der diesjährigen Cannes Lions fällt brutal aus: „Consumers are tired“ – Kunden sind einfach nur gelangweilt – so fasst Barri Rafferty, CEO der internationalen Agentur Ketchum, die Stimmung des Kreativfestivals 2019 zusammen. An der Croisette, wo sich jährlich die Werbe- und PR-Branche trifft, war an allen Ecken Ernüchterung zu spüren, und Wehklagen wie schwierig die Kommunikationsarbeit heute doch geworden sei.

Denn Verbraucher sind der marktschreierischen Werbebotschaften überdrüssig. Sie sind abgestumpft und gelangweilt von irrelevantem Content, der täglich durch ihre Social-Media-Kanäle strömt. Sie sind es leid und schlicht zu müde, um Werbebotschaften kontinuierlich nach Relevantem zu durchforsten.

Haben Marken eine Zukunft?

Ganz besonders trifft diese Verbrauchermüdigkeit die Markenprodukte. Laut einer Studie der Havas Group würden Verbraucher gar nicht bemerken, wenn 77 Prozent aller Markenprodukte einfach verschwinden würden.

89 Prozent der Kundinnen und Kunden ignorieren Markenbotschaften komplett und können sich ungestützt an keinerlei Claims oder Taglines erinnern. „No one cares about messages.“, bestätigt auch Creative Director Jim Lin, den die diesjährigen Cannes Lions ebenso auf den harten Boden der Tatsachen holten.

Es sind schwierige Zeiten für Kommunikationsprofis, vor allem für Brandmanager. Klassische Kommunikationsstrategien und -taktiken werden irrelevant und lassen sich auch nur schwer ersetzen. Klar ist, dass die Tage des POS-Marketings wohl gezählt sind. Die junge Verbrauchergeneration kauft fast ausschließlich online und kennt daher den stationären Handel kaum mehr. Daher weiß man auch die Vorteile eines echten Verkaufsgesprächs oder eines Markenauftritts am POS nicht zu schätzen.

Auch können sich Marketingprofis immer weniger auf den USP ihrer Marke verlassen, denn in vielen Märkten gleichen sich die Produkte mehr und mehr an. Wo früher ganze Kampagnen auf der „Unique Selling Proposition“ basierten, greifen diese Konzepte mangels klarem Unterscheidungsmerkmal heute zu kurz.

„Make them feel something!“

Neue Kommunikationsstrategien müssen also her – und bei den Cannes Lions 2019 zeichnet sich dazu ein Trend ab. Kelly Kenny, Senior Strategic & Creative Planner bei Ketchum, bringt den auf den Punkt: „Make them feel something!“

Ja, richtig gehört: Emotion vor Information heißt der neue Erfolgsschlüssel. Und zahlreiche Kampagnen, die 2019 mit einem Cannes Löwen ausgezeichnet wurden, bestätigen diese Devise.

Wie etwa die Libresse-Kampagne „Viva la Vulva!“, die Frauen dazu aufruft, ihre Vulva genauer zu betrachten und wertzuschätzen. Eine Kampagne, die für viel Aufsehen sorgte – nicht nur in Cannes. Man kann die Kampagne mögen oder auch nicht. Auf jeden Fall emotionalisiert sie und lässt niemanden kalt.

Noch mehr Emotionen entfachte Nike, denn ein Sturm der Entrüstung brach los, als der Sportartikelhersteller den American Footballspieler Colin Kaepernick mit einem Werbemotiv prominent würdigte. Der Quaterback der San Francisco 49ers kniete aus Protest gegen die Diskriminierung von Afroamerikanern in den USA während der Hymnenzeremonie zu Beginn jedes Spiels nieder, anstatt aufzustehen. Kaepernick fand viele Nachahmer und ließ sich selbst von einer Warnung durch US-Präsident Trump nicht von seinem Protest abhalten. Schließlich verlor der talentierte Spieler sogar seinen Job. Die 49ers entließen ihn und kein anderer Verein nahm ihn seither unter Vertrag.

Seit genau 30 Jahren vermarktet Nike seine Produkte mit dem Markenclaim „Just do it!“. Unter diesem Motto wurden nun, in der Jubiläumskampagne, Athleten gewürdigt, die „verrückt und mutig“ ihren Weg gehen. Kaepernick ist einer dieser Sportler.

Nike setzte in seiner Marketingkommunikation schon immer auf provokante Motive, doch so viel Gegenwind hatte die Marke noch nie zu spüren bekommen. Konsumenten verbrannten öffentlich ihre Schuhe und machten ihrem Unmut gegenüber dem angeblich „Anti-Amerikanischen Verhalten“ von Kaepernick und Nike in allen sozialen Netzwerken Luft. Die Emotionen kochten hoch. Das Unternehmen reagierte gelassen, stand zu seinem Statement und machte klar, dass es keinerlei Diskriminierung dulde und daher auch gerne auf diese Kunden verzichte. Fans der Marke sprangen bei und drehten die Stimmung. Was als Proteststurm begann, endete als emotionales, positives Bekenntnis zu einer Marke, die Haltung bewies.

Interessant an diesen Beispielen und auch neu ist, dass Marketing hier nicht nur auf positive Emotionen setzt, sondern bewusst auch negative Gefühle zulässt. Hauptsache der Verbraucher spürt irgendwas!

Great Stories – Great Emotions

Vor diesem Hintergrund erklärt sich der ungebremste Siegeszug von narrativem Marketing und Storytelling. Auch dieses Jahr überzeugten herausragende und hoch emotionale Stories die Cannes Lions Juries. Zahlreiche Löwen gingen an Unternehmen und Marken, die ihre Zielgruppe nicht nur informieren und umwerben, sondern die mit mitreißenden Geschichten ihr Publikum auch unterhalten und faszinieren.

Eines der besten Beispiele liefert die New York Times, die mit einer Miniserie an fünf Filmen die aufwändige und akribische Recherchearbeit des hausinternen investigativen Journalismus in den Mittelpunkt rückt und damit den Grand Prix in der Kategorie „Film“ holte. Die Kampagne „The Truth Is Worth It“ erzählt die Hintergrundstory einzelner Presseartikel – kreativ und ästhetisch außergewöhnlich erzählt.

Ausgezeichnet wurde auch die Dokumentation „5B“ des Gesundheitsunternehmen Johnson & Johnson, das die Arbeit von Krankenschwestern dokumentiert, die in den 80ern in San Francisco sich aufopferungsvoll um Aids-Patienten kümmerten. In einer Zeit, in der man unsicher war, wie die Krankheit übertragen wird und in der Aids-Patienten hoch stigmatisiert wurden, bewiesen diese Krankenschwestern Mut und Mitgefühl, in dem sie sich liebevoll um diese Patienten kümmerten. J&J drückt mit dieser Dokumentation seine Anerkennung und Wertschätzung gegenüber der Arbeit von Krankenschwestern in Hospitälern und Arztpraxen aus, ein Thema, das schon seit einigen Jahren im Zentrum der Markenkommunikation von Johnson & Johnson steht.

Beide Beispiele zeigen die Bedeutung von Storytelling und Bewegtbild in der modernen Markenkommunikation und wie wichtig eine enge Zusammenarbeit von Unternehmenskommunikation und Filmemachern heute ist. Wenn Sie mehr erfahren wollen zur Symbiose aus Storytelling & Film sowie narratives Marketing und wenn Sie wissen wollen, mit welchen Mitteln, Filmemacher und Storyteller Emotionen wecken und auslösen, dann kommen Sie am 6. September nach München zu Plot19. Die Storytelling-Konferenz bringt Marketingprofis mit Filmschaffenden zusammen, fördert den kreativen Austausch und gibt in Keynotes, Panels und Workshops praktische Tipps für die Kommunikationsarbeit. Infos und Tickets gibt es hier.